Wanderlust Nomade

Muotka 2: ein Schneemann im Juli

von Philine

Wie heißt es doch so schön: „Schlaf noch eine Nacht über das Problem!“ Ein neuer Morgen ist in der Wildnis von Muotkatunturi angebrochen und ich fühle mich schon viel besser. Das nervöse Gefühl vom gestrigen Abend hat sich in Luft aufgelöst, obwohl sich hier draußen nichts geändert hat: Die Sonne ist weiterhin da, die Vögel zwitschern, der Fluss rauscht und sonst ist nichts zu hören. Nur die Tatsache, dass es jetzt morgens ist und nicht mehr abends/nachts, ist anders. So ist der Mensch wohl: Nichts als bloße Einbildung/Vorstellung. Also habe ich entspannt mein Frühstück zubereitet und auf einem kleinen Felsen am Fluss genossen, während ich den verschiedenen Vogelstimmen lauschte und die Ruhe genoss. Anschließend wurde alles eingeräumt, der Sand vom Zelt geklopft und der Rucksack gepackt. Weiter ging es in die Landschaft von Muotkatunturi.

Zuerst folgte ich weiter dem Flusstal durch Birkenwälder und an kleinen Seen entlang, die rechts und links des Weges lagen. Ein kleines Blaukehlchen zwitscherte am Wegesrand und übertönte für einen kleinen Moment die anderen Vögel. Schließlich stieg der Weg steil an und folgte einem Bach aus höher gelegenem Terrain. Oben angekommen befand ich mich gerade noch unterhalb der Baumgrenze an einem wunderschönen See, der von Bergen umringt war und zum Lagern einlud, wie mehrere Lagerfeuerstellen bezeugten.

See auf dem Plateau

Nach einer kleinen Verschnaufpause machte ich mich auf zum nächsten Abschnitt des heutigen Tages: Den Aufstieg zum Peltoaivi, einem der höchsten Berge von Muotkatunturi, dessen Spitze noch 200 m über mir lag, auf 567 m. Ab dem See gab es nur noch Wildwechsel denen ich folgen konnte, nicht wissend wie weit sie meiner Marschrichtung folgen würden. Doch da kein einziger Baum mehr wuchs, war es ein Leichtes, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Außerdem konnte man leicht zwischen den einzelnen Wildwechseln zu wechseln.

War der untere Teil des Weges noch sehr moorig, wechselte er bald zu kleinen Sträuchern und teilweise Moosen, die sich um die vereinzelten Bäume ausbreiteten. Schon bald konnte ich weit in die Ferne blicken aus der Richtung aus der ich gekommen war. Nun änderte sich auch der Untergrund und es gab weitaus felsigere Abschnitte, die es Mal erleichterten und Mal erschwerten vorwärts zu kommen. So musste ich auch 2x durch ein Bachbett klettern. Ich hielt mich immer leicht nach links, in der Hoffnung schon bald einen guten Blick auf den Peltojärvi und die Weiten von Muotkatunturi zu bekommen, doch war es ohne die Wege etwas schwieriger Kurs zu halten.

Blick in die Weiten von Muotkatunturi
das Gipfelkreuz auf dem Peltoaivi
die Rentiere bevor sie hinter dem Kamm verschwanden
Weg zum Plateau

Einmal sah ich zwischen zwei Steinblöcken auf dem Gipfel einen Menschen, eine kleine Gestalt mit Rucksack, die so schnell verschwand, wie sie aufgetaucht war. Ich war also doch nicht alleine in diesem Teil von Muotkatunturi unterwegs. Ob er mich auch gesehen hatte, weiß ich nicht. Ich sah ihn zumindest nie wieder. Vielleicht wollte er aber auch wie ich, einfach allein seiner Wege gehen. Wer mich auf jeden Fall bemerkte, war ein kleiner Trupp Rentiere. Die vier fühlten sich sichtlich gestört und suchten das Weite ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Zuerst flohen sie ein Stück bergauf. Dann waren sie für einen Moment gerade noch auf dem Kamm zu sehen ehe sie dahinter verschwanden.

Langsam kam zu meiner Linken der Peltojärvi unten im Tal in Sicht. Mit jedem Schritt bergauf sah ich ein klein wenig mehr von diesem See. Doch auch die Sicht in die Ferne wurde mit jedem Schritt besser: Man konnte von hier oben dutzende Kilometer ins Land blicken. Auf dem Gipfel angekommen war es einfach unglaublich: Ich hatte einen Rundumblick auf die ganze Umgebung, da der Peltoaivi der zweithöchste Berg von Muotkatunturi Erämaa ist. Ein Berg reihte sich an den nächsten und dazwischen sah man Seen aufblitzen. Doch auch der Wind wehte hier oben und zwar empfindliche kalt. Somit beschloss ich meine Mittagspause etwas hangabwärts zu machen. Im Windschatten von ein paar Felsen, die gerade groß genug waren um mir Schutz zu geben, setze ich mich nieder. Andere Schutzmöglichkeiten wie Bäume und Sträucher suchte man hier oben vergeblich.

Muotkas größter See: der Peltojärvi

Weiter ging es über eine Hügelkette parallel zum Peltojoki zurück Richtung Nordosten: den Peltoaivi-Komplex, Bealdoaivvás und schließlich den Tuángânuáivi. (Fragt mich bitte nur nicht nach der richtigen Aussprache dieser Namen). Ein ständiges auf und ab auf unterschiedlichstem Terrain: Mal über einfache wenige cm hohe Moose, Flechten und kleinste Sträucher, dann wieder über Steine und Felsen, manchmal auch über moorige Flecken und kleine Bäche. Was von weitem so leicht aussah, entpuppte sich oft als kleine Kraxelei. Immerhin war die Navigation einfach, da der Weg meist oberhalb der Baumgrenze verlief. Nur einmal entschied ich mich um den Berg, den Bealdoaivvás, herum zu laufen statt drüber hinweg. Prompt musste ich GPS häufiger zur Rate ziehen, da ich hier durch offenen Birkenwald lief. Hier erinnerten die Bäume eher an kleine Obstbäume a lá Apfel oder Kirsche vom Wuchs. Deshalb konnte ich nicht so weit schauen und verschätzte mich regelmäßig mit der Entfernung.

Überrascht wurde ich von einem kleinem Rest Schnee, der in einem kleinen Winkel auf einer Bergkuppe überlebt hatte. Hier konnte ich natürlich nicht widerstehen und baute einen kleinen Schneemann. Für die Augen nutzte ich Rentierkot, der hier oft zu finden war und für die Ohren die Blüten der Bergheide (finnisch: kurjenkanerva). So kam es, dass ich mitten im Juli meinen ersten Schneemann für dieses Jahr baute.

mein kleiner Juli – Schneemann

Den Lagerplatz erreichte ich um 18 Uhr nach 18 km Tagesdistanz. Der Platz war eine Enttäuschung, da die Hütte oder eher das Zelt nur noch eine Ruine war. Ob der Unterschlupf abgebrannt war oder erst im Anschluss ein wenig gekokelt wurde, kann ich nicht sagen. Fest stand, dass hier keine Schutzhütte mehr stand und sich drum herum eine Vegetation befand, auf die ich ungern mein Zelt stellen wollte. Trotzdem legte ich erstmal eine Rast ein, da mein Energielevel auf dem Nullpunkt war. So machte baute ich meinen Kocher auf den übriggebliebenen Brettern der Ruine auf, um nicht gleich einen Waldbrand zu entzünden, und machte mir ein Portion Nudeln fertig. Nebenher überlegte ich ob ich hier versuchen sollte irgendwo mein Zelt, wie umständliche es auch sein sollte, aufzuschlagen oder ob ich weiter gehen sollte. Allerdings stellte sich dann die Frage, ob ich einen besseren Lagerplatz finden würde.

Auch nachdem ich mein Abendessen verzehrt hatte, war meine Entscheidung noch nicht gefallen. So suchte ich erst einmal den kleinen Bach, der hier laut Karte sein sollte, um meine Wasservorräte aufzufüllen. Meine Flasche war nämlich bis auf den letzten Tropfen leer. Doch auf der Suche nach Wasser fand ich nicht nur den kleinen Bach sondern auch überraschenderweise einen neuen Lagerplatz. Nachdem der Unterschlupf bei dem ich Pause gemacht hatte unbrauchbar wurde, war der neue Platz auf der anderen Seite vom Bach ca. 200 m entfernt neu angelegt worden. Hier gab es ein großes Tipi mit Feuerstelle und Sitzgelegenheiten. Außerdem gab es um das Tipi genügend Fläche ein Zelt aufzubauen. Zwar störten mich hier zum ersten Mal die Mücken, doch das würde ich tieferen Lagen kaum besser werden. Außerdem konnte ich damit mein Mückenmittel zum ersten Mal teste und hatte es nicht völlig umsonst mit durch die Gegend geschleppt.

Zelt im Sonnenschein um 22:12 Uhr

Doch das mulmige Gefühl vom vorherigen Abend kehrte zurück, allerdings nicht in voller Stärke. Trotzdem fühlte ich mich noch immer reichlich unwohl dabei, hier alleine zu sein. So zog ich mich in mein Zelt zurück und versuchte zu schlafen, was aber erst nach sehr langer Zeit klappte, da die Sonne selbst um 22 Uhr mit voller Kraft auf mein Zelt schien und mir vorgaukelte es sei helllichter Tag.

Wie mein kleiner Trip nach Muotka endet, erfährst du HIER.

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1 Kommentar

Muotka 1: die Angst vor dem Alleinsein – Wanderlust Nomade 17. November 2020 - 2:45 pm

[…] Muotka […]

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