„Du hast keine Angst davor allein zu sein, sondern es nicht zu sein!“
Was habe ich mir nur dabei gedacht?! Hier sitze ich nun am Peltojoki, an der Lahtinen-Hütte, in der Muotkatunturi Wildnis, 10 km von der nächsten Straße entfernt. Der nächste Mensch ist wahrscheinlich ebenso 10 km entfernt. Als ich mir diesen Trip ausgemalt hatte, hatte ich definitiv andere Vorstellungen, wie ich mich fühlen würde: Entspannt und froh endlich Ruhe zu haben und diese auch genießen zu können. Stattdessen sitze ich hier und mir ist mulmig. Denn eines trifft wirklich zu: „Du hast keine Angst davor allein zu sein, sondern es nicht zu sein!“
Dieser Satz ist mir in den vergangenen 2 Stunden schon sicherlich x-Mal durch den Kopf gegangen. Jedes kleinste Geräusch wird analysiert, egal ob fremde oder die eigenen. Dabei weiß ich noch nicht mal, vor was ich mich genau fürchte: Jedes größere Tier würde Kehrtwende machen und davonlaufen und jeder Mensch würde einem Gesellschaft leisten und sei es nur für einen kleinen Plausch ehe man seiner Wege geht, so wie im Kevo. Nichtsdestotrotz sitze ich hier. Alle Sinne in Alarmbereitschaft. Doch das einzige was man hört ist das Rauschen des Flusses, das Zwitschern der Vögel und das gelegentliche Summen einer Mücke. Es könnte kaum idyllischer sein. Wahrscheinlich sollte ich einfach schlafen gehen und und gucken was der Morgen bringt.
Was treibe ich hier eigentlich? Nach meiner Wanderung durch das Naturreservat Kevo, bei dem man immer auf den Wegen bleiben muss, wollte ich ausprobieren wie es ist, abseits der Wege zu gehen. Davon hatte ein Freund der Familie so geschwärmt, dass ich es unbedingt versuchen wollte. Muotkatunturi-erämaa (Muotkatunturi Wildnisgebiet) eignet sich hervorragend dafür. Am Rand findet man noch einige öfters genutzte Trampelpfade, doch nach einer Weile ist man auf sich allein gestellt mit Kompass, Karte und GPS. Um mich langsam heranzutasten wählte ich eine Route, die leicht zu befolgen war und über einige Pfade verfügte: am Ufer des Peltojoki hin zum Peltojärvi, dem größten See von Muotka. Insgesamt soll die Tour knapp 3 Tage dauern.
Wieder einmal bin ich abhängig vom Bus, der mich erst gegen Abend absetzte und schon am frühen Mittag wieder einsammelt. Doch was soll‘s. Wenn mir die 3 Tage hier zusagen, würde ich eine weitere und größere Tour in Muotka wagen. Doch allem Anschein nach, würde es das wohl nicht werden. Aber man weiß ja nie.
Der Weg hierher führte durch Kiefernwälder, Birkenwälder und Moore immer in der Nähe des Peltojoki entlang. Teils war der Weg richtig breit und teils konnte ich ihn gar nicht mehr erkennen und musste mein Handy zu Rate ziehen, und sehen, ob ich überhaupt noch auf dem richtigen Weg war. Wobei sich seltsamerweise immer herausstellte, dass er theoretisch direkt zu meinen Füßen liegen müsste. Man kann hier oft zwischen mehreren Wegen wählen, die alle mehr oder weniger leicht zu befolgen sind. Doch alle verlaufen parallel zum Fluss und der Bergkette.
In einem ziemlich moorigen Abschnitt hat mich ein kleiner Vogel über gut einen halben Kilometer oder mehr begleitet. Er flog immer ein Stück voraus oder hielt sich ein paar Meter neben mir. Dabei stieß er kontinuierlich einen bestimmten Ruf aus. Ob er mich von seinem Nest fort locken wollte oder einfach alle anderen Tiere in der Umgebung warnte, dass hier so ein komisches Wesen auf zwei Beinen kommt, weiß ich nicht. So plötzlich wie er aufgetaucht war, so war er auch wieder verschwunden.
Nachdem die ersten Kilometer wie im Fluge vergangen waren, zogen sie sich dahin, je weiter der Abend voranschritt. Auf festem Grund kam ich immer noch recht flott voran, doch gerade in den moorigen Abschnitten setzte ich die Füße doch mit mehr Bedacht, was zu der späten Stunde nicht gerade leicht war, wenn man gerne so früh ins Bett geht wie ich. Normalerweise hätte ich schon zu Abend gegessen und würde noch etwas am See sitzen.
Stattdessen lief ich hier allein durch die Gegend und allmählich beschlich mich ein seltsames Gefühl. Erst nur ein wenig, doch mit jedem Schritt nahm es zu und ein Teil flüsterte dem restlichen Teil zu: „Was machst du hier so allein? Wie kamst du auf die Idee, allein in ein so menschenleeres Gebiet zu gehen? Was ist, wenn dir etwas passiert? Und was war das eben für ein Geräusch?!“ Ich begann unruhig meine Umgebung ständig abzusuchen ob da irgendetwas sein könnte. Doch dabei war ich mir nicht mal im Klaren, was IRGENDETWAS eigentlich war. Parallel dazu schimpfte ich mich selber aus: Ich bin doch verrückt! Es besteht überhaupt kein Grund zu all der Angst! Somit war ich schließlich mehr mit mir selber beschäftigt, als mit der doch eigentlich schönen Umgebung, durch die ich lief. Es war definitiv an der Zeit, ein Lager aufzuschlagen.
Auf der Suche nach einem Lagerplatz stolperte ich dann über eine kleine Hütte samt Plumpsklo an einem Ort der in der Karte als Lahtinen verzeichnet war. Da ich auf den 10 km kaum einen besseren Lagerplatz gefunden habe, beschloss ich zu bleiben und mein Zelt in einer bereits bestehenden Nische aufzustellen, die durch jahrelange Nutzung entstanden war. Immerhin war es schon nach 22 Uhr und meine Energiereserven hinlänglich erschöpft. So baute ich ziemlich nervös mein Zelt auf und lauschte dabei ständig in die Umgebung. Das Essenmachen lief ähnlich nervös ab und nur als ich am Fluss saß und aß war ich nicht ganz so hypernervös. So beschloss ich direkt schlafen zu gehen in der Hoffnung, dass es sich im Zelt etwas anders anfühlen würde. Und wer weiß, vielleicht bringt der Morgen ja Besserung.
Was der neue Tag bereit hielt, erfährst du hier.
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